
Nam-Joo Cho erzählt in ihrem ersten Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ die Geschichte ebenjener Person, einer jungen Frau aus Korea. Bei einem Familienbesuch bei den Eltern ihres Ehemannes beginnt Jiyoung plötzlich sich merkwürdig zu verhalten. Sie spricht mit der Stimme und aus der Erfahrung ihrer Mutter, ihrer Schwester, der Schwester ihres Mannes. In Rückblicken erhalten wir Einblicke in Jiyoungs Leben: als kleines Mädchen, als sie und ihre ältere Schwester stetig hinter dem weit jüngeren Brüder zurückstecken mussten, eben weil sie Mädchen waren; als junge Frau, ständig in Angst einem Mann „keine falschen Signale zu senden“; als erfolgreiche Berufstätige, mit weit geringerem Verdienst als die weniger qualifizierten männlichen Kollegen, ständig dem Spott und den Übergriffen ebendieser ausgesetzt; als Ehefrau und Mutter, die natürlich nicht weiter arbeiten kann, weil Mutterschutz in Korea nur wenige Wochen möglich ist, weil eine Babysitterin Geld kostet und weil der Ehemann auch gar nichts dagegen hat alleine für alles zu sorgen. Jiyoungs Geschichte ist Roman und Bestandsaufnahme zugleich, immer wieder tauchen Fußnoten mit wissenschaftlichen Studien zu dieser und jener Behauptung auf. Auch sind all die, man möchte fast sagen „absurden“ Situationen, wenn es nicht so dramatisch und erschütternd wäre, sicherlich in der Figur Jiyoung und in ihrem Leben auf die Spitze getrieben. Häufig weiß man nicht, ob man angesichts der bodenlosen Frechheit / Dummheit / Dreistigkeit (Reihe beliebig fortzusetzen) der Männer in Jiyoungs Leben und der sie produzierenden Gesellschaft lachen oder weinen soll. Die koreanische Gesellschaft mag da ein besonderes Beispiel sein, doch in vielen der geschilderten Situationen dürfte sich ein Großteil der Frauen wiederfinden – egal wo. Und vielleicht hat Pauline Harmange [Verlinkung zu „Ich hasse Männer“ :)] am Ende doch recht …
Friederike Schormann
Nam-Joo Cho: Kim Jiyoung, geboren 1982. Kiepenheuer & Witsch. Übersetzung von Ki-Hyang Lee. 18 Euro.